»Was, wenn Trump verliert?«

Von Claudia Roosen, 21.04.2024, 09:37, Lesedauer: 5 Minuten

»Was, wenn Trump verliert?«

Trump, das Phantom des Oval Office: illustriert von © Felix Amadeus Flick

Die Demokraten wissen dieser Tage nicht mehr, ob sie lachen oder weinen sollen. Trump windet sich nicht nur wie ein trickreicher Houdini aus allen juristischen Verstrickungen heraus, sondern inszeniert sich unlängst vor seinen Jüngern auch als neuer Jesus. Das heißt, wenn er nicht gerade goldene Sneaker anpreist, seine Maga-Meute auf politische Gegner hetzt oder zum Wucherpreis eine vom ihm autorisierte Bibel vertreibt – deren Erlös dann an seine Anwälte geht, die ihn wegen gefälschter Geschäftsdokumente in Zusammenhang mit Schweigegeld-Zahlungen an einen Erotikstar verteidigen. Das muss man wissen. Doch es wird Zeit, die Absurdität ernst zu nehmen. Was auf dem Spiel steht? Alles!

Denn die Merkmale einer autoritären oder faschistischen Partei sind jetzt deutlich erkennbar. Erstens: Sie akzeptiert nicht das Ergebnis demokratischer Wahlen, wenn sie nicht zu ihren Gunsten ausfällt. Zweitens: Sie befürwortet politische Gewalt oder lehnt es ab, politische Gewalt als Instrument zum Erlangen und Aufrechterhalten politischer Macht auszuschließen. Drittens: Sie lebt von dem Persönlichkeitskult um einen Führer, dessen Wort über Rechtsstaat und Verfassung steht.

Die jüngste Veröffentlichung eines Bildes von Präsident Biden, gefesselt auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks, ist genau die Art von Schund, den man verbreitet, wenn man nach einem Blutbad giert: codiert, den wirtschaftlichen Doppelsinn des Wortes nutzend, etwa wie ein Mafiaboss kommuniziert. Oder, wie er bei seiner letzten Kandidatur den kaum verborgenen Marschbefehl ‚Stand back and stand by‘ als Losung an die rechtsextreme Miliz der „Proud Boys“ ausgab und dem Sturm aufs Kapitol den Weg ebnete. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Doch wer jetzt resigniert, geht dem Demagogen auf dem Leim. Denn die Allmachtsfantasien des designierten republikanischen Präsidentschaftskandidaten sind nur Schein. Bevor wir also diese barocke Vorstellung teilen, werfen wir doch lieber mal einen Blick auf die Details.

Trump führt das Feld für die republikanische Präsidentschaftsnominierung an. Aber angenommen, er verliert. Angenommen, er wird von einer Mehrheit republikanischer Wähler an der Urne abserviert. Bleibt der Charakter des amerikanischen Populismus dann gleich? Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2016 war dermaßen schockierend, dass Trump im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit weniger ein Politiker zu sein scheint als vielmehr eine historische Kraft: so etwas wie ein Mensch gewordener Weltgeist, wobei „Weltgeist“ eine globale Woge des reaktionären Populismus ist.

Die Quintessenz dieser Vorstellung von Trump als einer Art Inkarnation ist, dass Widerstand zwecklos ist. Man kann ihn an der Wahlurne besiegen, dem Strafjustizsystem ausliefern, sogar gemäß der Verfassung disqualifizieren: Der Geist bleibt. Und seine Anhänger – das vergessene, wenn auch nicht ganz stille, Überbleibsel der alten Mehrheit des Landes – werden immer ein Ventil finden. Es ist schwer, von dieser Einschätzung abzurücken, umso mehr, wenn man zu Fatalismus neigt. Einen Versuch ist es aber wert! Und wirklich: Es sind nicht unaufhaltsame Kräfte am Werk, sondern zufällige Ereignisse und kontingente Entscheidungen. Mit anderen Worten: Es ist wahr, dass diese Kräfte mit oder ohne Trump existieren. Aber Trump selbst war nicht unvermeidlich:

Wenn sich die republikanischen Eliten in den frühen Tagen des Wahlkampfs 2016 konsequent um einen einzigen Kandidaten gruppiert hätten, wäre Trump vielleicht daran gehindert worden, immer mehr Terrain zu erobern. Wenn Hillary Clinton nur wenige Stimmen mehr in ein paar mehr Staaten gewonnen hätte – insgesamt 77.744 in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin – hätte er niemals das Weiße Haus gewonnen. Und die Auswirkungen seiner Politik wären heute vielleicht weniger gravierend, ohne vormals Trump im höchsten Amt. Diese Spekulation ließe sich beliebig fortsetzen.

Doch er hatte nun mal diese Macht und Stellung, und es gibt jetzt einen Grund, warum die MAGA-Getreuen unter den Republikanern – oder diejenigen mit Ambitionen – unverhohlen daran arbeiten, den ehemaligen Präsidenten in Grausamkeit, Korruption und Verfassungs-Verachtung nachzuahmen. Oder werden die nächsten republikanischen Politiker – mit Trumps mehrfachem Misserfolg im Hinterkopf – die Grundlagen der demokratischen Gesellschaft akzeptieren? Immerhin: Frühere Loyalisten wie General Kelly, John Bolton und der frühere U.S. Vizepräsident Mike Pence verweigern Donald Trump jetzt die Unterstützung und finden zum Teil recht deutliche Worte.

Fakt ist auch, dass der reaktionäre Populismus, der seine Kampagne befeuerte, auch ohne ihn existieren würde. Ein Argument gegen den Versuch, Trump aus dem Präsidentenamt gemäß Abschnitt 3 des 14. Zusatzartikels zur Verfassung zu disqualifizieren, ist, dass es die amerikanische Demokratie nicht retten wird, ihn von der Wahlurne zu entfernen. Oder aus dem politischen Jammertal, wenn man hofft, dass Gott ihn für seine götzengleiche Bibel-Blasphemie mit einem Blitzschlag bestraft. Denn die Probleme der Demokratie reichen tiefer als die Abgründe in der Seele eines Mannes.

»Was, wenn Trump verliert?«

»Und jetzt entschuldigt mich, ich muss noch einen Richter attackieren und die Geschworenen einschüchtern.« Illustriert von © Felix Amadeus Flick